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Barocktanz - Die Quellen

Der Beginn des 17. Jahrhunderts bedeutet für den Tanz - in Abgrenzung zu den Traditionen der Renaissance - einen fundamentalen Paradigmenwechsel auf mehreren Ebenen. Roy GeometreWar der tanzende Körper zuvor v. a. durch das Ausführen virtuoser Schrittfolgen in Form eines kunstvollen 'Spaziergangs' sowie eine damit einhergehende auffällige Ruhe des Oberkörpers im Ideal der Sprezzatura ('Nachlässigkeit') geprägt, so wird der Körper im 17. Jahrhundert - dem mechanischen Weltbild Newtons zu vergleichen - in geometrischer Form vermessen und in mechanischer Form bewegt.

Mechanik des Tanzes

Dabei gestaltet Rameau die Schrittkombinationen in Art eines 'Setzbaukasten-Prinzips': Aus den Einzelteilen - ein mehr oder wenig fester Kanon von etwa zwanzig Schritten - lassen sich immerzu neue Kombinationen erschaffen. Variationen sind nicht nur durch Schrittfolgen, sondern insbesondere auch durch Richtungswechsel im Raum sowie unterschiedlichem Umgang mit Rhythmen möglich. Pierre Rameau, Maître à Danser: Premiere PositionRameaus Tanztraktat bildet bis heute die wesentliche Grundlage für jede Rekonstruktion barocker Tanztechnik. In seiner Ensemblearbeit bezieht sich l' e s p a c e ausdrücklich auf diese wesentlichste Quelle.

Als weiteres Novum der barocken Tanzkunst, die sich selbst eher einer Tradition des Klassizismus zurechnete, trat etwa um 1620 die Auswärtsdrehung der Füße auf. Diese hatte für die Tanzmeister der Renaissance noch als unschicklich gegolten. Für die neuartige Technik des 'Mouvements' - einer Kombination von Beugen (frz. plié) und Strecken (frz. élevé) der Knie, die zu einer eleganten Rhythmisierung der Schritte beiträgt und die einzelnen Schrittkombinationen voneinander trennt - war die Auswärtsdrehung jedoch notwendig geworden. Einher ging damit, angeregt durch den Pariser Tanzmeister Pierre Beauchamps, eine Systematisierung der Fußstellungen im Kanon der "Cinq Positions" (vgl. Abb. rechts), wie sie noch heute im Klassischen Ballett zur Anwendung kommen.

Perspektivenwechsel

Einher ging damit eine völlig neue Konzeption des Raumes als hierarchisch strukturierter, Maître de Dansezentralperspektivischer Bühnenraum, dem sich der tanzende Körper und die Raumfiguren des Tanzes unterzuordnen hatten (s. Abb. rechts). Auch der Ballsaal wurde somit zur 'Bühne', auf der sich nur jeweils ein einzelnes Tanzpaar vor dem gesamten Hof präsentierte - mit dem Herrscher als idealem Zuschauer. Die Tanzfläche gliederte sich dabei im wesentlichen in drei Bereiche: einem Bühnengrund, in dem der Tanz beginnt und endet; einem Vordergrund, zu dem das Paar spiegelsymmetrisch zu Beginn des Tanzes gelangt, um sich symbolisch den Anwesenden tanzend vorzustellen; sowie einer mittleren Ebene, in der v. a. kreisförmige Figuren in der Mitte des Tanzablaufs präsentiert wurden. Die Reihung der Figuren folgte dabei den Lehren einer klassischen Rhetorik von Präsentation, These und Antithese und Konklusion.

Notation

Entrée pour un homme et une femme, choreogr. v. Pécour, 1704Der Herausgabe dieser Schrift (vgl. Abb. links u. rechts) durch Beauchamps Zeitgenossen Raoul-Auger Feuillet (c. 1660 - 1710) unter dem Titel "Choréographie ou l'art de décrire la Danse" (Paris 1700) und ihrer begeisterten Rezeption im paneuropäischen Kontext ist es zu verdanken, dass sich in Drucken und Manuskripten bis heute etwa 350 Choreographien aus Frankreich, England, Deutschland, Spanien, Portugal und Italien v. a. des frühen 18. Jahrhunderts erhalten haben. Die Verlebendigung dieser Überlieferungen unterschiedlichster Genres, Choreographen und Besetzungen hat l' e s p a c e sich zur Aufgabe gemacht. Dass Re-Konstruktion und Re-Lektüre auch immer wieder Verlebendigung für die eigene Gegenwart und ihre Bedürfnisse hinsichtlich Raum und Bewegung bedeutet, versteht sich dabei (fast) von selbst.

 

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